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Berlin

MPC-Algorithmen im Praxistest

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Logo des Forschungsprojekts OBSERVE, gefördert vom BMWi
Logo des Forschungsprojekts OBSERVE, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie © OBSERVE / BMWi

Kann man ein bestehendes Nichtwohngebäude – beispielsweise Büro, Schule oder Bank – mit weniger Energie beheizen und trotzdem beim gewohnten Komfort bleiben? Dieser Frage sind wir im Forschungsprojekt „OBSERVE“ gemeinsam mit dem Fraunhofer ISE und anderen Partnern nachgegangen. Das Vorhaben dauerte knapp drei Jahre und wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Die Ingenieure von Kieback&Peter sollten dabei neue prädiktive Regelungsmodelle im Alltagsbetrieb testen. Außerdem entwickelten sie Algorithmen, um Heizungsanlagen besser überwachen und Fehler schneller erkennen zu können – alles nur mithilfe von Software, ohne technische Nachrüstung.

OBSERVE: Forschungsprojekt mit Fraunhofer ISE und anderen Partnern

Neben Kieback&Peter beteiligten sich das Fraunhofer ISE (Freiburg), die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (Hamburg), Plenum Ingenieure (Hamburg) und IngSoft (Nürnberg) als Projektpartner an OBSERVE. Unsere Abteilung „Strategische Forschung & Entwicklung“ unterstütze das Projekt mit drei Fachleuten – Leiter Henrik Przybilla sowie die Systemingenieure Michael Boeck und André Wolfram. Ihre Aufgabe war es, die von den Projektpartnern entwickelten Algorithmen für die Heizungsregelung im Praxisalltag zu testen. Dazu nutzten sie zwei Versuchsgebäude in Berlin: die Unternehmenszentrale von Kieback&Peter und den Sitz der Deutschen Kreditbank (DKB).

„Heizenergie sparen heißt nicht nur Thermostat runterdrehen“, erläutert Projektleiter Henrik Przybilla. „Auch die Vorlauftemperatur der Heizanlage kann den Energieverbrauch enorm beeinflussen. Darauf haben wir uns im Forschungsvorhaben konzentriert.“ In herkömmlichen Anlagen ist die Vorlauftemperatur oft bewusst zu hoch eingestellt. Der Grund dafür: Die Betreiber möchten für alle Fälle genug Heizenergie zur Verfügung stellen und nicht riskieren, dass jemand im Gebäude friert. Die konventionelle Methode des Überangebots ist zwar sicher und komfortabel, verbraucht aber unnötig Energie. Eine prädiktive Regelung optimiert die Vorlauftemperatur ohne Komfortverlust – so die Theorie. Das spart Energie, Kosten und ist gut fürs Klima.

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Heizenergie sparen heißt nicht nur Thermostat runterdrehen. Auch die Vorlauftemperatur kann den Energieverbrauch enorm beeinflussen.

Henrik Przybilla, Leiter Strategische Forschung & Entwicklung

Was ist MPC und wofür ist das gut?

Model Predictive Control (MPC) ist eine prädiktive Regelung, die auf mathematischen Modellen basiert. Während die herkömmliche Heizungsregelung lediglich auf Echtzeit-Werte wie Uhrzeit, Außen- und Raumtemperatur „reagiert“, arbeitet die prädiktive Reglung mit vorausschauenden Algorithmen. Hierfür entwickeln zum Beispiel Wissenschaftler an Hochschulen komplexe Rechenmodelle, die neben aktuellen Sensor-Messwerten zusätzlich historische Daten aus Anlagen und Gebäuden berücksichtigen. Manche Modelle greifen über Schnittstellen auch auf externe Daten wie Besucher- und Klimaprognosen zu.

Eine besondere Form von MPC ist die selbstlernende, prädiktive Regelung. Sie überschreitet bereits die Grenze zur Künstlichen Intelligenz (KI): Durch maschinelles Lernen wird sie über die Zeit immer vertrauter mit dem Heizsystem und dem Verhalten des Gebäudes. Sie weiß irgendwann genau, wie lange es dauert, bis alle Räume im Herbst nach der Nachtabsenkung wieder auf Komforttemperatur geheizt sind. Oder sie kann in einem Bürogebäude lange vor Feierabend die Vorlauftemperatur absenken, weil sie gelernt hat, wie langsam die Räume abkühlen. Genauso kann sie rechtzeitig die Heizung anwerfen, wenn der Wetterdienst einen Kälteeinbruch prognostiziert hat.

Egal ob konventionelle oder selbstlernende MPC: Beide können in der Theorie die Vorlauftemperatur merklich reduzieren, ohne dass die Gebäudenutzer ihre Komfortzone verlassen müssen. Mit ihrem angelernten oder modellierten Wissen über die Trägheit der Systeme arbeitet die MPC viel vorausschauender und effizienter als herkömmliche Regelungen. Fachleute sprechen hier von einem „geglätteten Lastgang“. Projektleiter Henrik Przybilla vergleicht das mit der Steuerung eines großen Schiffs: „Ein erfahrener Seemann weiß, dass sein Kahn langsam reagiert. Ein wohldosierter Ruderausschlag zur rechten Zeit genügt und er kommt wieder auf Kurs.“ Die vorausschauende Regelung, die nicht „hektisch“ auf jede Änderung im System reagiert, reduziert die Spitzenlasten der Anlagen. Das spart Energie und Kosten.

Effizienz und Komfort: Wie haben die Algorithmen abgeschnitten?

Die MPC-Algorithmen, die unser Forschungsteam im praktischen Einsatz testete, hatten unterschiedliche Schwerpunkte – von der wirtschaftlichen Optimierung bis zur sukzessiven Modellanpassung. Die Experten prüften die Software-Algorithmen der Forschungspartner auf unterschiedlichen Hardware-Plattformen – auch in Verbindung mit den eigenen Controllern von Kieback&Peter. Ihr Ergebnis in Kurzform: Alle MPC-Varianten sind grundsätzlich für den Praxiseinsatz geeignet und arbeiten potentiell effizienter als herkömmliche Regelungen. Dabei liefern sie die richtigen Sollwerte und Stellgrößen, um den Komfort der Gebäudenutzer zu erhalten.

 

Fehlererkennung spart ebenfalls Energie

Im Rahmen von OBSERVE befassten sich die Forscher von Kieback&Peter auch mit der Fehlererkennung in Heizsystemen. Sie entwickelten erfolgreich Software-Algorithmen, die mithilfe bestehender Sensoren frühzeitig Fehler und Störungen erkennen – insbesondere solche, die unnötig Energie verschwenden. Übermittelt zum Beispiel ein Volumenstrom-Sensor einen sehr niedrigen Ist-Wert, kann die Software unter bestimmten Bedingungen auf eine Pumpen-Störung schließen. Henrik Przybilla wertet OBSERVE nicht nur als Erfolg für Kieback&Peter und die Projektpartner. Auch der Klimaschutz sowie die Betreiber und Nutzer von Gebäuden werden von den Forschungsergebnissen profitieren.